Für wen schreibe ich in diesem Blog?

UnternehmerInnen, Führungskräfte, Teams und MitarbeiterInnen, die die Arbeitswelt kontinuierlich verbessern und weiter entwickeln möchten. Ebenso für alle Menschen, die bereit sind, Verantwortung für die persönliche Entwicklung, die eigene Gesundheit und das eigene Verhalten zu übernehmen. Für alle Neugierigen.

Generationsschubladen

„Ist es möglich, dass man „die Frauen" sagt, „die Kinder", „die Knaben" und nicht ahnt (bei aller Bildung nicht ahnt), dass diese Worte längst keine Mehrzahl mehr haben, sondern nur unzählige Einzahlen?"

Rainer Maria Rilke

Es scheint ein großes Bedürfnis danach zu geben, Menschen zu klassifizieren, zu kategorisieren und möglichst auch in Gruppen zu bewerten. Das zeigt sich in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kontexten und natürlich auch in Bezug auf die Generationen und das Lebensalter. Es geht von einfachen Polarisierungen „wir früher" oder „die Jugend von heute" bis hin zu sozialwissenschaftlichen Beobachtungsstudien von Alterskohorten, denen daraufhin spezifische Merkmale zugeschrieben werden. Die Betitelung der verschiedenen Generationen und deren Typisierung hinsichtlich Lebensstil, Wertemuster und Verhalten sind mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen und haben sich so auch in die Gehirne vieler Menschen eingenistet. Jede Generation hat ihre Vorgeschichte in der Elterngeneration, die dazu beigetragen hat, dass die Nachkommen sind, wie sie sind. Es ist interessant zu beobachten, wie die vorhergehenden Generationen kritisieren, was sie (teilweise) selbst geschaffen, aber zumindest mitgeprägt haben.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den Generationsbezeichnungen, deren Zuordnung zu den Geburtsjahrgängen sowie zu den Merkmalen, die den jeweiligen Gruppen zugeschrieben werden. Die Angaben in den verschiedenen Studien zu den Merkmalen sind teilweise inkonsistent bis widersprüchlich. Unsere Merkmalsauswahl bezieht sich daher nur auf die häufigsten genannten Beschreibungen. Die Jahrgangsangaben differieren ebenso je nach Autor und sind nur ungefähre Angaben. So kommt es teilweise zu Überschneidungen, und je nach Blickwinkel können einzelne Personen mehreren Generationen zugeordnet werden.

Generationen Häufig zugeschriebene Eigenschaften, Werte und Arbeitsstile
Nachkriegsgeneration: Jahrgänge 1945-1949

sparsam, ordnungsliebend, korrekt, unterwirft sich Autoritäten, angepasst, verantwortungsbewusst, arbeitet um sich den Lebensunterhalt zu sichern, Akzeptanz für einen hierarchischen Führungsstil
68iger- Generation: Jahrgänge 1940-1950rebellisch, akzeptiert keine Autoritäten, lehnt Hierarchien ab, liberal, großzügig, steht für sexuelle Freizügigkeit
Baby Boomer: Jahrgänge 1949-1964erfolgreich, liberal, tatkräftig, hohe Arbeitsmoral, Arbeit als Lebensmittelpunkt, fleißig, Pflicht und Disziplin als hohe Werte, zielstrebig, leistungsorientiert, Wunsch nach Entschleunigung, starkes Sicherheitsbedürfnis, konfliktscheu, eigene Bedürfnisse werden hinten angestellt, bewerten generationsübergreifende Teams positiver als nachfolgende Generationen, Präferenz für die face-to-face-Kommunikation und -kooperation. Verstehen sich als Teil des „Kollektivs". Lebenslange Reichweite der abgeschlossenen Berufsausbildung gilt als selbstverständlich.
Generation X / Generation Golf: Jahrgänge 1965-1979Ambitioniert, ehrgeizig, individualistisch, skeptisch, berufliches Vorankommen als wichtigstes Ziel, Verlangen nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, hohes Anspruchsdenken, Autoritäten werden infrage gestellt, erwarten Belohnung bei Anstrengung, verstärkte Tendenz zur Individualität und Selbstverwirklichung, Status und Macht ist wichtig, kollegiale Teamarbeit und kooperativer Führungsstil
Generation Y: Jahrgänge 1980-2000Ich-bezogen, anspruchsvoll, selbstbewusst, technologieaffin (Digital Natives), Leistungsgedanke mit Spaß verbunden, Philosophie: erst leben, dann arbeiten!, Gehalt, Karriere und Status weniger wichtig, aktiver Umgang mit Wahlmöglichkeiten und geringere Verweildauer im Job, Sympathie unter Kollegen und gutes Arbeitsklima wichtig, Sinnhaftigkeit der Arbeit wird gefordert, unterschiedliche Kommunikationsstile werden als besonders hinderlich bewertet, partnerschaftlicher Führungsstil, Autoritäten werden angezweifelt,Flexicurity als Leitbild
0-Bock Generation: Jahrgänge ab 1980 Untergruppe der Generation YKein Interesse an Arbeit, Leistung und Lebenssicherung, allgemein desinteressiert an gesellschaftlichen Entwicklungen, schicksalhafte Grundeinstellung
Generation Z: Jahrgänge ab 2000„Me, myself and I", Individualität steht im Vordergrund, Digitale Medien sind ihre Lebenswelt. Ein Slogan, der sie beschreiben soll: geshared, geliked und getweeted, doch nicht begegnet!"geringe Frustrationstoleranz, anspruchsvoll, bequem, geringe Aufmerksamkeitsspanne, wollen selbstbestimmte Arbeit und flache Hierarchien, wünschen unbefristete Verträge und wollen klar definierte Strukturen im Job haben, „Generation Weichei" (FAZ), „Wollen die auch arbeiten?" (Zeit)

Generation „Gibt´s nicht" 

Was für die sozialwissenschaftliche Forschung sinnvoll sein kann, kann sich allerdings im beruflichen Alltag und im Einzelfall fatal auswirken. Stereotypien hinsichtlich Alter und Generation und damit verallgemeinernde Merkmalszuschreibungen sind weder hilfreich, noch bilden Sie die Realitäten ab. So berichtete ein 31-jähriger Mitarbeiter eines großen Marketingteams während eines Coachings von psychischen Problemen wegen der Trennung von seiner Lebenspartnerin und daraus resultierenden Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Er habe ein gutes Verhältnis zu seiner Vorgesetzten und habe ihr von der privaten Situation erzählt. Sie sei verständnisvoll und habe bei der Arbeitsorganisation Rücksicht auf seine aktuelle Situation genommen. Die Chefin habe die Trennung kommentiert mit: „Du gehörst halt zur „Generation beziehungsunfähig" und: „Stabile Partnerschaften sind in deiner Generation und in unserem Job eben eher die Ausnahme." Der Stempel „Beziehungsunfähig!" und die Lektüre eines gleichnamigen Buches verschob den Blick des Mannes von der Analyse seiner persönlichen Situation auf gesellschaftliche Aspekte. Er sprach während des Coachings häufig von „seiner Generation", vermied das Wort „ich" und suchte mehr nach sozialen und arbeitsplatzbegründeten Erklärungen dafür, warum Partnerschaften (im allgemeinen) scheitern. Es dauerte eine Weile, bis er bereit war, seine Gefühle, sein Denken und sein Handeln zu reflektieren, um daraus Konsequenzen für die Zukunft ableiten zu können.

In einem anderen Fall berichtete ein Mittfünfziger von folgender Situation: Er sei seit 20 Jahren für einen metallverarbeitenden Betrieb als Ingenieur tätig. Nach dem Verkauf der Firma an einen ausländischen Investor seien verschiedene Arbeitsbereiche neu strukturiert und auch neue Aufgabenbereiche definiert worden. Er war sehr enttäuscht und auch frustriert darüber, dass er keine Chance erhalten hatte, sich in einer der neuen Tätigkeiten einzubringen, obwohl er in den zurückliegenden Jahren durchweg exzellente Leistungen erbracht hatte. Darauf angesprochen, begründete der Personalleiter die Entscheidung: „Die neue Tätigkeit, die für Sie in Frage gekommen wäre, ist mit vielen Auslandsaufenthalten verbunden und erfordert hohe Flexibilität. Außerdem müssten Sie Ihre Englisch- und Französischkenntnisse vertiefen und zusätzliche fachliche Schulungen absolvieren. Die digitalen Herausforderungen in den neuen Aufgabenbereichen dürfen Sie ebenfalls nicht unterschätzen." Die Botschaft war klar: Dem Baby Boomer wird nicht zugetraut, flexibel, reise- und lernbereit zu sein und sich in der immer komplexeren digitalen Arbeitswelt zurecht zu finden. Der Ingenieur hat die Firma mittlerweile verlassen und arbeitet heute mit 60 Jahren in einer Umweltorganisation als Berater. Er ist ständig auf drei Kontinenten unterwegs, in seinem internationalen altersgemischten Team bewältigt er seine Aufgaben sowohl digital als auch sprachlich ohne schwerwiegende Probleme.

Auch wenn allgemeine Zuschreibungen in der Regel wenig hilfreich sind, ist es dennoch nützlich, zu verstehen, dass Menschen, die unter bestimmten Bedingungen sozialisiert wurden, bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen entwickeln können, die durch ihre Lebensumstände gefördert wurden.

Einige Beispiele dazu:

  • Extreme Sparsamkeit und der Drang, möglichst alles zu sammeln und sich von nichts trennen zu können, kann aus Kindheits- und Jugenderlebnissen resultieren, in denen der Mangel das Leben dominiert hat (Kriegs- und Nachkriegsgeneration).
    Kann – muss aber nicht.
  • Autoritäten prinzipiell in Frage zu stellen und Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen zu hegen, kann eine starke Prägung der Zeit um 1968 sein.
    Kann – muss aber nicht.
  • Sehr zielstrebig, fleißig und leistungsorientiert zu sein kann aus der Erfahrung gewachsen sein, dass man nur durch eigenes Engagement zu mehr Wohlstand gelangen wird (Baby Boomer).
    Kann – muss aber nicht.

Einflussgröße Zeitgeist 

Besonders große Unterschiede in der Sozialisation finden wir zwischen den Prototypen der Baby Boomer und der Generation Y. Vergleichen wir die Kindheit eines frühen Baby Boomers (z.B. Jahrgang 1955) mit derjenigen eines Menschen aus der späten Generation Y (z.B. Jahrgang 1993): Ersterer erinnert sich an Zeiten ohne Telefon und Fernseher. Als der erste Fernseher ins Haus kam, wurden lediglich zwei Programme zu ganz bestimmten Zeiten in schlechter Qualität ausgestrahlt. Selbstverständlich bestimmte der Vater, was und wann gesehen wurde. Radio, Bücher, unbeaufsichtigtes Spielen im Freien – auch in der Dunkelheit – , Schallplatten oder später Kassettenrekorder und der damit verbundene Bandsalat dominierten die Freizeit dieser Kinder. Die Wahlmöglichkeiten waren in der Regel eher beschränkt. Hatte ein Kind dieser Generation den Wunsch, ein Instrument zu spielen, dann bedeutete das in finanziell gut gestellten Haushalten vielleicht: Klavier; in den weniger gut gestellten Familien: Blockflöte. Der Wunsch nach zusätzlichem Sport außerhalb der Schulzeit wurde mit der Mitgliedschaft im örtlichen Turnverein oder Fußballverein beantwortet. Das Kind ging zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad dorthin. Auslandsaufenthalte beschränkten sich auf Urlaube mit den Eltern, vielleicht nach Italien oder Dänemark. Eine Ohrfeige des Lehrers fand nicht selten sogar die Zustimmung der Eltern.

Ganz anders erlebte der Durchschnitts-Y-er seine Kindheit und Jugend. Lebte er in der Mittelschicht, gab es dort zumeist mehrere Bildschirme im Haushalt. Fernseher für die Familie oder auch in den Kinderzimmern, eine Fülle von Programmen, die rund um die Uhr laufen konnten. Computer, Gameboy oder Notebook waren im Haus. Das schnurlose Telefon war selbstverständlich, niemand wunderte sich mehr über Fax und Handy. Diese Kinder waren schon früh gewohnt, viele Entscheidungen mit treffen zu müssen: Klavier, Gitarre, Flöte, Geige oder Schlagzeug? Ballett, Fußball, Reiten oder Judo? Ein schneller Wechsel von Musik- oder Sportunterricht war in der Regel leicht machbar – das Kind sollte ja seinen Spaß haben. Jugendfreizeit oder besser mit der Familie verreisen? Die Sorge der Mutter des Baby Boomers beim Sonntagsessen war noch hauptsächlich auf den Vater gerichtet: „Hoffentlich schmeckt es ihm?" Er bekam natürlich als erster das beste Stück Fleisch. In den 90ern konzentrierte sich diese Frage hauptsächlich auf: „Hoffentlich schmeckt es dem Kind? Möchtest Du lieber dies oder lieber jenes…? Nein, wenn du nicht willst, musst du das nicht essen."

Die Unterschiede zwischen den prototypischen Kindheits- und Jugenderfahrungen dieser beiden Generationen zeigen beispielhaft, dass der Zeitgeist wohl sicherlich Spuren in Bevölkerungsgruppen hinterlässt. Nicht zulässig ist aus unserer Sicht, daraus zu folgern, dass diese oder jene Generation ganz spezifische Qualitäten bzw. Mängel aufweisen. Völlig absurd wird es, wenn dies dann noch auf Einzelpersonen übertragen wird.

Die Vermächtnisstudie von Zeit Online, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Sozialforschungsinstitut infas (Novotny, R.,2016, Generation Gibtsnicht. Die Zeit, 3.3.2016, S. 65-66.) zeigt, dass es nicht so einfach ist, wie viele Studien, Artikel und Bücher es vorgeben. Die Studie verglich verschiedene Generationen miteinander und befragte sie nach Einschätzungen zur Zukunft. Das Ergebnis: Die Deutschen unterscheiden sich nicht nach Alter und Generation, sondern vielmehr nach Bildung, Einkommen und Freundeskreis. Treffenderweise haben die Autoren einen Artikel zur Studie mit der Überschrift „Generation Gibtsnicht" betitelt. Es gibt sie also gar nicht, die Generationen X, Y, Z… Die Autoren verweisen darauf, dass die Gräben nicht zwischen den Generationen verlaufen, sondern zwischen den sozialen Klassen. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit unser Erfahrung in den Betrieben: Auch wenn ab und an Tendenzen aufblitzen, die dazu verleiten, über die Generation X oder Y ein Pauschalurteil zu fällen, so treffen wir sehr häufig auf Menschen, die unabhängig von Alterskohorte ein ganz individuelles Eigenschafts- und Werteprofil haben.

Generationslose Gesellschaft?

Statt die Unterschiede zu suchen und zu betonen, erscheint es uns sinnvoller, nach Gemeinsamkeiten Ausschau zu halten. Was verbindet die Generationen? In Seminaren und Coachings hören wir von Männern und Frauen, von Menschen in allen Lebensphasen und in den unterschiedlichsten Arbeitswelten immer wieder von denselbenWünschen und Werten. Sie wünschen sich Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sowie Anerkennung und Wertschätzung für ihre Leistungen. Sie erwarten Respekt und Fairness im Umgang miteinander, stabile und gute menschliche Beziehungen in Teams und zu ihren Vorgesetzen. Sie sind bereit, andere zu unterstützen, wenn auch sie diese Unterstützung erfahren. Fachliche und persönliche Entwicklung ist ihnen wichtig, und sie wünschen sich dabei Hilfe von Unternehmen, Vorgesetzten und KollegInnen. Auf die Frage, ob sie sich auch aktiv im Berufsleben für diese Werte einsetzen wollen, antwortet der weitaus überwiegende Teil mit ja – und das völlig unabhängig von Generation und Lebensalter. Nein, wir sind keine generationslose Gesellschaft. Aber es gibt sehr viel mehr Verbindendes als Trennendes zwischen allen Altersklassen.

    Reflexion 

  • Zu welcher Generation gehören Sie? Treffen die Merkmale aus der Tabelle auf Sie zu?
  • Kennen Sie Menschen anderer Generationen, die aus dem oben beschriebenen Rasterherausfallen?
  • Haben Sie das Bedürfnis oder die Gewohnheit, Menschen in Alters- oder Generationsklassen einzuteilen? Wozu?

Auszug aus dem Buch: Cornelia Schneider / Lisa- Juliane Schneider: Reife Leistung / Herder Verlag

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